„Wenn man mich Verräter nennt, befinde ich mich in einem exklusiven Club.“ Amos Oz
Amos Oz ist Israels bekanntester aber auch umstrittenster Schriftsteller. Er wird immer erwähnt, wenn Kandidaten für den Nobelpreis für Literatur aufgerufen werden. Er hat viele Verehrer, aber auch viele, die in ihm einen Verräter sehen, weil er nicht müde wird Israels Politik zu kritisieren. Er hat besonders in Deutschland sehr angesehene Literaturpreise bekommen, den Johann-Wolfgang-Goethe-Preis der Stadt Frankfurt etwa, oder den Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf, sowie eine Menge weiterer Preise.
Er betrachtet sich dennoch als Zionist, aber als ein Zionist, der nicht bereit ist das Unrecht, dass auch in seinem Namen begangen wird, zu verschweigen. Er wird als Verräter beschimpft und antwortet: „Manche, die man in der Geschichte als Verräter verunglimpft hat, haben sich später als Wegbereiter erwiesen.“
Er hat sich in den letzten Jahren immer mehr den radikalen Kritikern des Zionismus genähert, obwohl er aus einer streng zionistischen Familie stammt. Dafür wurde er von wenigen gelobt, aber von vielen gehasst. Er sagte aber, als er bei einer Preisverleihung für die Organisation „Breaking the Silence“ eine Rede hielt: „Die Menschen in Israel wollen sich gut fühlen, und „Breaking the Silence“ stört sie dabei. Menschen in Israel wollen, dass ihr Land gut dasteht und „Breaking the Silence“ lässt Israel nicht gut aussehen. Und das ist gut so.“
Viele Kritiker der israelischen Politik sagen dasselbe, aber zum Skandal wird es erst, wenn Amos Oz es sagt. Er ist von allen bekannten israelischen Schriftsteller der politischste und steht neben Streitern wie Uri Avnery und Gideon Levy. Er kämpft für moralischen Werte und sagt: „Moral ist kein Luxus, sondern notwendig und eine Frage der Existenz.“
Amos Oz wurde am 4. Mai 1939 in Jerusalem als Amos Klausner geboren. Sein Onkel Josef Gedalja Klausner war Religionswissenschaftler und ein fanatischer Zionist. Nach den Kindheitsjahren in Jerusalem und nach dem Selbstmord seiner Mutter zog er 1954 in den Kibbuz Hulda, wo er den Familiennamen Oz (hebr. Kraft) angenommen hat. Er zog später nach Arad in der Negevwüste und lebt seit einigen Jahren in Tel Aviv.
Amos Oz ist einer der international bekanntesten israelischen Schriftsteller und sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. 1992 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 1998 den Israel-Preis für Literatur. Er ist Mitglied der Akademie der Hebräischen Sprache, lehrt Hebräische Literatur an der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva und gehört zu den Mitbegründern der Friedensbewegung „shalom achschaw“ – Frieden jetzt. In Deutschland sind von ihm zwanzig Titel erschienen, zuletzt seine Biographie „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ und „Judas“. Eines der wichtigsten Bücher, die er zwar nicht geschrieben, aber herausgegeben hat, war das Buch „Gespräche mit israelischen Soldaten“, das unmittelbar nach dem Sechs-Tage-Krieg erschienen ist.
Die öffentliche Begeisterung, die auf den Krieg folgte, die ungebremste Euphorie und der absolute Größenwahn, der die israelische Bevölkerung erfasst hatte, zwang Amos Oz und einige Freunde, die wie er, am Krieg teilgenommen hatten, dazu Stellung zu nehmen. Im Sommer 1967, kaum dass der Krieg vorüber war, traf sich eine kleine Gruppe von Kibbuzsoldaten, um über den Krieg zu diskutieren. Aus den Gesprächen ist das Buch geworden, das 1970 bereits auf Deutsch im Melzer Verlag erschienen ist und worüber Gershom Sholem gesagt hat: „Das wichtigste Dokument zu unserer geistigen Existenz, das Israel bisher hervorgebracht hat.“ Und in der ZEIT schrieb Dietrich Strotmann: „Es ist, unter den rund hundert Büchern und Broschüren, die seit 1967 über diesen Krieg erschienen sind, das beste Buch – weil es das ehrlichste ist.“
Heute, fünfzig Jahre danach, hat sich Israel total verändert. Trotzdem ist das 1967 erschienene Buch immer noch so aktuell, wichtig und bedeutend, wie am ersten Tag. Moral verliert niemals an Aktualität. Die Moral der Kibbuzsoldaten gibt es nicht mehr. „Humanist“ ist in Israel von heute ein Schimpfwort und Moral ist für viele Israeli heute ein Zeichen von Schwäche. Aber Politik ohne Moral ist immer zum Scheitern verurteilt. Amos Oz wird nicht müde das seinem Volk zu predigen.
Während 1967 die Soldaten geschossen und geweint haben, schießen sie heute und lachen – und man kann es in youtube sehen. Erst vor kurzem hat ein israelischer Soldat einen am Boden liegenden verwundeten Palästinenser mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe liquidiert. Die Mehrheit der Israelis fand es mutig und richtig und obwohl ein Gericht ihn für schuldig befand, gibt es Wochen nach dem Urteil immer noch keine Entscheidung über die Strafe.
Amos Oz sagt es offen und jedermann: „Was Israel heute macht wird nicht dazu beitragen, dass Israel sich wohl fühlt. Und ich will euch ein Geheimnis verraten: Ich liebe Israel auch dann, wenn ich es nicht ertragen kann.“
Er tritt auf wie ein zorniger Prophet aus der Bibel, wie Jeremias oder der Prophet Amos und er vergisst auch nicht den letzten großen jüdischen Dichter Hayim Nachman Bialik zu erwähnen, der für Israel der große Nationaldichter ist, und für Amos Oz ein Brecher des Schweigens in seiner Zeit war: „Er sagte schreckliche Sachen über das jüdische Volk, die all unsere Feinde gegen uns verwenden könnten.“
Anlässlich seiner Rede bei der Preisverleihung für die Organisation „Breaking the Silence“ meinte er an seine Israelis gerichtet: „Alle kritisieren und wenige hören zu. Ich höre manchmal zu und davon lebe ich. Man nennt mich „Verräter“. Begin, der einen Teil des Sinai zurückgab, wurde sogar von einem Teil seiner Leute „Verräter“ genannt. Wenn man mich Verräter nennt, befinde ich mich in einem exklusiven Club. Darauf bin ich stolz.“
Amos Oz, Avraham Shapira
Man schießt und weint
Gespräche mit israelischen Soldaten nach dem Sechstagekrieg
368 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
24,00 €
„Es freut mich außerordentlich, dass der Westend Verlag das Buch ‚Man schießt und weint‘ von Amos Oz und Avraham Shapira in einer schönen deutschen Ausgabe herausgebracht hat.“ Prof. Dr. Hans Küng