/Kommentare/Was ist wirklich neu – in Panama und anderswo?

Was ist wirklich neu – in Panama und anderswo?

Am vergangenen Sonntag, dem 3. April 2016, öffnete sich wieder einmal der Vorhang – diesmal in Panama. Dieses relativ kleine Land in Mittelamerika scheint aufgrund der Angaben eines bislang noch nicht identifizierten „Whistle Blowers“ (John Doe) nun zum Ausgangspunkt einer beispiellosen Aufklärungskampagne zu werden. Man erinnert sich: Im Jahre 1989 begannen die USA mit einer Invasion Panamas, um die Absetzung des Präsidenten (Manuel Noriega) dieses Landes zu bewerkstelligen.

Amtszeit auf den Drogenhandel spezialisiert. Er wurde in den USA u. a. wegen Drogenhandels und in Frankreich wegen Geldwäsche verurteilt und verbüßt mittlerweile weitere Strafen in seinem Herkunftsland. Was dabei gerne übersehen wird: Die USA hatten dem Treiben ihres seinerzeitigen Verbündeten lange Zeit zugesehen. In den 1980er Jahren erhielt er sogar finanzielle Unterstützung von der CIA, damit er nicaraguanischen Contras half, um das seinerzeitige linke Regime zu destabilisieren. Doch das ist irgendwie schon alles lange her.

Heutzutage steht man vor einer Datenflut von (bis jetzt) elfeinhalb Millionen Dokumenten. Anders als in früheren Fällen wurde diesmal nicht die Öffentlichkeit um Mithilfe gebeten. Es war zu Bildung einer geschlossenen Suböffentlichkeit einer Recherchegemeinschaft gekommen. Journalisten der Süddeutschen Zeitung waren zunächst Dokumente zugespielt worden. Für deren Auswertung nahmen sie Kontakte zu kooperierenden Medien und zum International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) auf. Das letztgenannte Konsortium ist die Antwort auf die Krise der „Corporate Media“, die in den USA ihren Ausgang genommen hatte. In ihr wurde deutlich, dass viele der etablierten Presseorgane nur noch die Interessen der jeweiligen Eigentümer verfolgen und ihre demokratische Uraufgabe – die Schaffung einer kritischen Öffentlichkeit – dabei verfehlen.

Die „Panama Papers“ behandeln nun zwei große Themen unserer Zeit: die bedrohte Öffentlichkeit und die bestohlene Öffentlichkeit. Der Umgang mit ihnen ist für seriösen Journalismus von großer Bedeutung. Er ist ohnehin in einer sehr schwierigen Situation: Unterdrückt in Autokratien, kommerzialisiert in hochkapitalistischen Ländern. Die Digitalisierung scheint ihm den Boden zu entziehen. Und von rechts wird ihm der Begriff „Lügenpresse“ entgegengeschleudert. In dieser Situation bietet sich ihm vielleicht in dritter Weg: die internationale Kooperation recherchierender Journalisten und ihrer Medien. Es geht in der Tat um einiges, womöglich gar um einen „Kampf gegen die Unterminierung staatlicher Strukturen“. Wir stehen womöglich alle vor einer Zauberbox, in der Dinge verschwinden, Identitäten verschleiert und Taten ihrer Schuldhaftigkeit entkleidet werden. Es geht vielleicht auch darum, altertümlich erscheinende Strukturen wie den Nationalstaat auszuhebeln, der Steuern erheben will, um die Gelder zugunsten der weniger Begünstigten umzuverteilen und Infrastrukturen aufrechtzuerhalten, die allen dienen.

Damit wären wir beim großen Thema unser Zeit:

Wie kann sich Staatlichkeit im Rahmen einer globalen Gesellschaft neu und gerecht erschaffen?*

Worum geht es in der Sache? Deutsche Journalisten haben von einem Informanten 11,5 Millionen elektronische Dateien (PDFs, Word-Dateien, Excel-Sheets) einer international operierenden Anwaltskanzlei (Mossack & Fonseca) aus Panama erhalten. Es handelt sich um Geschäftspapiere, E-Mails und Gerichtsakten, die bis ins Jahr 1977 zurückreichen. Die Dokumente zeigen, wer sich hinter rund ca. 214 000 Briefkastenfirmen versteckt, die alleine diese Firma aufgesetzt hat, da solche Firmen meist von Strohmännern gehalten werden und die wahren wirtschaftlichen Eigentümer den Behörden gegenüber nicht offengelegt werden. Es handelt sich also um eine internationale Geschichte über großes Geld. Und über eine Struktur, die dieses Geld vor staatlichem Zugriff schützt. Die Gründe, mit seinem Geld so zu verfahren sind vielfältig: Steuerersparnis, Schmiergelder, Verbergen der wahren Eigentümer von Vermögen, etwa um in Erbschafts- und Scheidungsverfahren Verwandte zu prellen. Das ist nicht alles rechtswidrig und kriminell. Es kann aber schnell zum Teil eines kriminellen Habitus werden, verzichtet man darauf, entsprechende Angaben vor den Finanzbehörden der Heimatländer zu machen. Bei der Herkunft der Gelder aus Bestechungen und Drogendeals versteht es sich fast von selbst. Die Münchener Journalisten haben sich unter dem Kriegsnamen „Prometheus“ neben rund 400 Journalisten aus 78 Ländern der Recherche gewidmet. Es ging und geht um das globale Business des Geldversteckens. Dabei ist die Analyse einer unvorstellbar großen Datenmenge erforderlich: 2,6 Terrabyte. Sie enthält nach bisherigem Stand Angaben zu 128 Politikern, darunter 12 amtierende oder ehemalige Staatschefs. Doch auch die Namen von Drogenschmugglern, Terroristen oder Firmen, die auf Sanktionslisten stehen, sind zu lesen. Dazu zählen auch arabische Ölhandelsfirmen, die heimlich die Luftwaffe von Baschar al-Assad mit Treibstoff versorgen, so dass die eigene Bevölkerung ermordet oder in die Flucht getrieben werden kann.

Mossack & Fonseca haben bisher für ihre Kunden Büros oder auch nur die formelle Anschrift in „Steuerparadiesen“ zur Verfügung gestellt, die Kontoführung übernommen, sind als bevollmächtigter Vertreter aufgetreten, haben Steuererklärungen und Jahresabschlüsse erstellt, das handelsrechtlich benötigte Personal gestellt und die notwendigen behördlichen Dokumentationspflichten erfüllt. Die Firma gründet und verwaltet Gesellschaften entweder direkt oder im Auftrag von rund 14.000 zwischengeschalteten Mittelsmännern, sehr oft in Gestalt von Steuerberatungsfirmen oder den größten Banken der Welt, die eher wie Komplizen ihrer Kunden wirken. Alleine für 29 Milliardäre, die sich auf der Liste der 500 reichsten Menschen befinden, erledigt die Firma die gesamte bürokratische Arbeit. Sie füllt im Übrigen Formulare aus, entrichtet Gebühren und besorgt amtliche Bestätigungen. Es bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse jenseits des kürzlich erfolgten Rücktritts des Ministerpräsidenten von Island die Betreuung der Firma Mossack & Fonseca noch haben wird.

*Armin Thurnher, Überall ist Panama. Jetzt kann man es besser sehen, Falter 14/16, S. 5.

Wolfgang Hetzer

Wolfgang HetzerWolfgang Hetzer, promovierter Rechts- und Staatswissenschaftler, war von 2002 bis 2013 Abteilungsleiter im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF/Office Européen de Lutte Anti-Fraude) und fungierte als Berater des Generaldirektors des OLAF im Bereich Korruption in Brüssel. Zuvor war er Referatsleiter im Bundeskanzleramt und zuständig für die Aufsicht über den BND in den Bereichen organisierte Kriminalität, Geldwäsche, Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie strategische Überwachung der Telekommunikation. Er ist Autor zahlreicher Bücher; zuletzt erschien von ihm im Westend Verlag Finanzmafia – Wieso Banker und Banditen ohne Strafen davonkommen (2011) und Finanzkrieg – Angriff auf den sozialen Frieden in Europa (2013).

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