/Kommentare/Tee zum Essen – alkoholfreie Speisebegleitung 3.0

Tee zum Essen – alkoholfreie Speisebegleitung 3.0

Gutes Essen. Und dazu den passenden Wein. Oder auch das passende Bier. Für viele ist das eine Selbstverständlichkeit. Wer hingegen keinen Alkohol trinkt, dem bleibt oft nur die Auswahl zwischen ein paar Säften, Wasser und den üblichen Softdrinks. Dass die alkoholfreie Speisebegleitung aber weitaus mehr zu bieten hat, zeigt Nicole Klauß in ihrem Buch Die neue Trinkkultur. Speisen perfekt begleiten ohne Alkohol. Entdecken Sie raffinierte Kreationen, erfahren Sie alles über die Geschmacksvielfalt alkoholfreier Getränke und probieren Sie selber zuhause oder im Restaurant aufregende neue Pairings – wie wäre es denn zum Beispiel mal mit einer Tasse kräftigen Oolong-Tee zum Barbecue?

Tea, please!

Tee zum Essen? Ja, Sie haben richtig gehört! Möglicherweise denken Sie dabei zunächst an den 5 o’clock Tea, den die Engländer so unnachahmlich zelebrieren: eine Étagère, üppig befüllt mit Scones, Gurkensandwiches, Shortbread und kleinen Kuchen. Dazu einen Darjeeling. Ein Klassiker!

Tee als Speisebegleiter, und das nicht nur am Nachmittag zu süßen Kleinigkeiten, ist bisher bei uns nicht so weit verbreitet. Wieso eigentlich? In vielen Kulturen ist es ganz selbstverständlich, Tee zum Essen zu reichen.

In den Kulturen des Nahen Ostens und vor allem in Asien wurde und wird bis heute Tee traditionell zum Essen getrunken. Zugegebenermaßen wird hier das Thema „Pairing“ eher vernachlässigt. Der orientalische Tee ist häufig sehr süß und schwarz. In der Türkei wird süßer Apfeltee, der Çay, serviert und in Japan trinkt man gerne einen Tee aus gerösteter Gerste, den Mugicha. Im Winter genießt man ihn warm, im Sommer kalt, als „Cold Brew“ (die geröstete Gerste wird mit kaltem Wasser eine Nacht in den Kühlschrank gestellt). Der Tee wird, nach dieser Methode zubereitet, ein wenig frischer und passt gut zur leichten, hocharomatischen japanischen Küche.
Heiß zubereitet verleihen die Röstaromen dem Tee eine leicht malzige Note, die gut zu vielen Gerichten der japanischen Küche passt, vor allem zu Gerichten mit gegrilltem oder geräuchertem Fisch, aber auch zu Sushi mit Aal ist der Mugicha eine wunderbare Ergänzung.

Die Qualität ist entscheidend!

Die Teeauswahl in Restaurants und Cafés ist häufig in einem beklagenswerten Zustand: eine Armada von aromatisierten Grüntees (Zitrone, Vanille, Beeren), schwarzen Tees im Teebeutel (machen Sie sich mal die Mühe und öffnen einen Beutel – Sie finden in der Regel „Dust“, kleinste Teepartikel der schlechtesten Qualitätsstufe). Diese Tees färben das Wasser zwar in kürzester Zeit, von Aroma findet sich jedoch keine Spur. Probieren Sie zum Vergleich einmal Ganzblatt-Tees bei Ihrem Teehändler. Möglicherweise wundern Sie sich über den Preis hochwertiger Tees, aber in einer Zeit, in der kleine Kaffeemanufakturen wie Pilze aus dem Boden schießen, und die Kunden für einen aufwändig handgefilterten Kaffee hohe Beträge ausgeben – da sollte man auch an einem guten Tee nicht sparen. Eine solche Investition zahlt sich ganz klar im Geschmackserlebnis aus.

Tee-Pairing mit hochwertigen Tees bietet Ihnen eine unglaubliche Bandbreite an Möglichkeiten. Während ein Wein ist, wie er ist, haben Sie bei der „Arbeit“ mit Tee einige Stellschrauben (Teesorte, Wasserwahl, Ziehzeit, Trinktemperatur) um damit ganz individuell auf die Speisen und Ihren Geschmack einzugehen. Tee ist sehr flexibel. Es gibt ihn in so vielen Ausprägungen, dass es kaum eine Speise gibt, die man nicht mit Tee begleiten kann.

Tee als Speisebegleiter – entdecke die Möglichkeiten!

Sie können schon zum Aperitif mit einem Tee starten. Der Begriff leitet sich vom Lateinischen aperire (öffnen) ab. Ein Aperitif ist also sozusagen der Opener für den Abend. Schon vor dem Essen können Sie einen leichten Tee anbieten: Er soll die Vorfreude steigern und den Gaumen auf die Speisen vorbereiten. Nehmen Sie hier einen leichten grünen Tee, zum Beispiel „Palace of Patan“ aus der Umgebung von Hile, einer kleinen nepalesischen Stadt südlich des Himalayas. In der Nase das unvergleichliche Aroma von Zuckererbsen und Flieder, das Aroma erinnert ein wenig an eine buttrig-süße Brioche. Die Geschmacksknospen werden sensibilisiert und erwarten nun voller Vorfreude die erste Speise.

Oder probieren Sie doch mal einen Darjeeling mit einem Hauch Ahornsirup. Arbeiten Sie sich hier an die optimale Menge heran – starten Sie mit einem halben Teelöffel Sirup auf 100 Milliliter Tee und servieren Sie dazu leicht gesalzene Mandelcracker (oder Salzmandeln) mit echten Parmigiano reggiano. Vermeiden Sie allerdings stark adstringierende Tees zum Aperitif (zum Beispiel Schwarztees) – sonst ist der Gaumen belegt und die folgenden feinen Nuancen des Essens werden nicht mehr wahrgenommen. Daher ist ein Eistee auch nicht die allerbeste Wahl, wenn es um den Starter für den Abend geht.

Farbspiele: Welcher Tee passt zu welcher Speise?

Weißer Tee hat ein eher zurückhaltendes Aroma und sollte daher tendenziell mit leichten Vorspeisen oder Fisch kombiniert werden, die den Tee nicht allzu sehr dominieren. Für diesen Tee werden nur die sehr jungen, noch geschlossenen Knospen verwendet, deren weißer Flaum zum Namensgeber des Tees wurde. Zum Hauptgang darf es dann schon ein kräftiger Assam oder sogar ein Rauchtee sein, zum Dessert gerne ein blumiger Tee, wie etwa Jasmintee. Grundregel hier: je kräftiger die Speise, desto kräftiger darf der Tee sein. Wenn Sie einen besonderen Fisch wählen, wie zum Beispiel einen Seeteufel oder einen Seesaibling, dann können Sie den auch mit einem besonderen Tee begleiten: zum Beispiel mit einem Silverneedle-Tee aus Kenia. Vegetabile (mit grasigen Noten) Grüntees aus Japan vertragen sich besonders gut mit Meeresfrüchten.

Geröstete oder sogar geräucherte Tees wiederum (die meisten chinesischen Grüntees fallen in diese Kategorie) passen gut zu Speisen mit ausgeprägten Röstaromen: in der Pfanne gebratenes Hühnchen oder Pute, zu frittierten Speisen, gegrilltem Gemüse, oder sogar zu Pizza. Zu Desserts sind sie jedoch keine gute Wahl. Rauchtees, wie zum Beispiel der Lapsang Souchong, passen auch hervorragend zum Sauerteigbrot mit luftgetrocknetem Schinken.

Grüne Tees aus Indien und Ceylon besitzen sehr häufig leicht süße Noten und sind gut mit Vollkornbrot und Fleischgerichten zu kombinieren, passen aber eher schlecht zu frittierten oder fettreichen Gerichten.
Bei japanischen Grüntees dominieren die grasigen Noten. Diese Tees passen gut zu Speisen mit viel „Umami“ (die japanische Bezeichnung für die fünfte Geschmacksrichtung neben süß, sauer, bitter und salzig): Meeresfrüchte, Sushi, mit Sojasauce gewürzte Speisen, weiße Schokolade, sowie Gouda und Manchego.

Käse und Tee – das ist übrigens ist eine ganz großartige Kombination: Der warme Tee schmilzt den Käse geradezu an – und sorgt für einen wunderbaren Geschmack. Servieren Sie zum Käseteller doch mal einen grünen chinesischen Tee zum Brie oder einen Oolong zum Comté oder Beaufort. Zum cremigen Ziegenkäse, zum Beispiel einem Selles-sur-Cher, passt ein gerösteter Tee (Houjicha) und zum aromatischen Roquefort ein Ceylon.

Don’ts beim Teepairing

Vermeiden Sie „doppelte Schärfe“: ein scharfes thailändisches Curry muss nicht auch noch mit einem Ingwertee kombiniert werden. Ein Zitronengrastee allerdings passt dazu hervorragend.
Vermeiden Sie außerdem die Kombination von weißem Tee mit rotem Fleisch oder fruchtigen und eher süßen Desserts. Der Tee verliert dann sein Aroma und Sie haben das Gefühl, warmes Wasser zu trinken.
Der Pu Errh-Tee ist ursprünglich ein grüner Tee, der durch Röstung, Räucherung, Fermentation und Oxidation seinen typischen Geschmack erhält. Dieser lang gereifte Tee (Jahrgangstees zu dreistelligen Eurobeträgen für 100 Gramm sind keine Seltenheit) ist mit seinen Rauchnoten daher eher kein Typ für eine Dessertbegleitung, die erdigen Noten sind schwierig mit Süßem zu kombinieren.
Aber als Digestif macht sich der Pu Errh ganz hervorragend: Die herb-erdigen Noten sorgen für ein gutes Gefühl im Magen – ganz besonders, wenn das Menü eher reichhaltig war.

Tee und Barbecue – ein echtes Highlight

Ein lang oxidierter Oolong ist aromatisch und kann es mit seinen intensiveren Noten gut mit gegrilltem Fisch und Ofengemüse aufnehmen.
Ein Gunpowder hat Kraft und ist ebenfalls ein toller Partner beim Barbecue: Versuchen Sie ihn zum gegrillten Schweinebauch oder Bacon. Auch zu Steak oder würzigen Salatdressings passt er bestens. Zum Schnitzel servieren Sie einen gerösteten Houjicha. Dieser Tee mit seinen Röstaromen begegnet dem frittierten Gericht auf Augenhöhe.
Kombinieren Sie einen Keemun aus China mit leichten Rauchnoten mit einem Steak direkt vom Grill. Sie werden einen Pinotage oder einen Syrah nicht vermissen. Versprochen.

Seien Sie mutig – und experimentierfreudig!

Zur Foie Gras (ja, Foie Gras ist umstritten, aber es gibt inzwischen auch ungestopfte Gänseleber, zum Beispiel bei Gioachino Palestro aus Mortara in Norditalien) passt natürlich ein Sauternes, aber eben auch ein Darjeeling Second Flush. Der warme Tee schmilzt die Gänseleber sanft an und die Tannine harmonieren mit dem Fettanteil der Leber auf das Allerfeinste. Ganz ähnlich verhält es sich übrigens mit einer Gänserillette: Ein mittellang fermentierter Oolong etwa fängt die würzig-aromatischen Noten der Rillettes ganz entspannt auf und sorgt buchstäblich für einen echten Schmelz.
Sind Sie der Typ, der gerne Erdbeeren mit Balsamico oder Chili mit dunkler Schokolade isst? Dann können Sie auch mal einen Assam zum Fisch probieren!
Der Tee als Speisebegleiter – einen Versuch ist es wert, oder?

Neugierig geworden? Auf www.neuetrinkkultur.de erfahren Sie mehr zum Buch und der perfekten Speisebegleitung ohne Alkohol.

Nicole Klauß

Nicole KlaußNicole Klauß begann ihre berufliche Karriere zunächst als Kunsthistorikerin, Romanistin, Art Consultant und Eventmanagerin. Sie hat an der Deutschen Wein- und Sommelierschule eine Weinausbildung gemacht. Während ihrer ersten Schwangerschaft beschäftigte sie sich intensiv mit dem Thema Genuss ohne Alkohol und konzentriert sich seit der Geburt ihrer beiden Kinder auf die Beratung von Gastronomen, organisiert Präsentationen von kulinarischen Büchern und ist Gutachterin für Kochbücher. Außerdem ist sie als Autorin und Bloggerin tätig.

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