Saugut und ein wenig wie wir
Das Schwein bringt Glück und wird in Marzipan modelliert, aber es steht auch als Metapher für alles, was dreckig, ungehörig und sündhaft ist. Das Schwein wird ausgestoßen, oder besser gesagt, eingepfercht und sorgfältig vor den Blicken der Menschen verborgen. Gleichzeitig ist das Schwein ein unschätzbares Modell für den menschlichen Körper und es ist das Tier, dass Menschen in den letzten 50 Jahren am häufigsten gegessen haben. Kristoffer Hatteland Endresen ist dem Wesen und den Geheimnissen des Schweins auf den Grund gegangen – von der Geburt bis zur Schlachtung. Das Ergebnis ist eine Geschichte über Appetit und Abneigung, Fleisch und Moral und über die Frage, wo eigentlich die Trennlinie zwischen Mensch und Tier verläuft?
Leiv druckst. »Na ja, es kommt nicht jeden Tag einer und sagt, er will Schweine kennenlernen. Das ist schon ein bisschen komisch. Aber Sie haben ja gesagt, dass Sie offen sind und auf beide Seiten hören, das will ich jetzt mal glauben.«
Leiv scheint meine Motivation zu verstehen. Obwohl ich fast täglich Industrieschwein in irgendeiner Form in mich hineinstopfe, ist meine Weltanschauung schon lange von Ansichten geprägt, die gegen diese Lebensweise sprechen. Seit Jahren nicke ich die Argumente der Tierschützer kritiklos ab. Moralphilosophisch sind sie so gut wie unangreifbar, zumindest von meinem Standpunkt – weit entfernt von jeglicher Form der Nutztierhaltung. Warum sollten wir Fleisch von Tieren essen, die wahrscheinlich kein gutes Leben hatten, wenn wir es auch sein lassen können? »Aus Tradition« oder »weil es gut schmeckt« sind keine guten Argumente. Sie entsprechen jener Art Rechtfertigung, mit der früher Frauen und ethnischen Gruppen grundlegende Menschenrechte verweigert wurden. Auch dass wir von Natur aus Fleischesser sind, ist kein Grund, Tiere schlecht zu behandeln. Eine solche Argumentation lässt außer Acht, dass der Mensch eine allesfressende Spezies mit der Fähigkeit zur kritischen Reflexion ist. Das Problem liegt vielmehr in einer äußerst menschlichen Schwäche: Ich bin faul und es fällt mir schwer, Ideale in die Tat umzusetzen. Um nicht weiter als Heuchler dazustehen, suche ich Hilfe beim Fachmann, in diesem Fall ein Bauer, der die industrielle Schweinehaltung am besten kennt. Dennoch spüre ich ein gewisses Unbehagen.
»Die Tierschützer dominieren heute alle Medien. Wenn es nach denen ginge, gäbe es uns gar nicht mehr.« Höre ich gerade den Schwanengesang der Schweinebauern? Ein Klagelied auf die industrielle Nutztierhaltung – ein letztes Grunzen vom Hof, ehe alles vorbei ist?
Der britischen Tageszeitung „The Guardian“ zufolge wurden Vegetarismus und Veganismus 2018 im Westen zum Mainstream. Dies gilt offensichtlich auch für Norwegen und viele andere Länder. Vegetarische und vegane Kochbücher machen einen beträchtlichen Teil der Kochbücher in Buchhandlungen aus. 2018 wurde „Das Gemüsekochbuch“ zum besten Kochbuch des Jahres gekürt. Das große Adventsthema 2019 waren fleischlose Weihnachtsfeiern, und im staatlichen Fernsehen schlugen Kochserien delikate Festmahlzeiten ohne gegrillten Schweinebauch, geräucherte Lammkoteletts oder gekochten Kabeljau vor. Doch wie viele Nussbraten kamen tatsächlich auf den Tisch?
»Schon seltsam, dass das Thema so aufgeblasen wird«, sagt Leiv. »Was essen denn die meisten Leute wirklich?« Natürlich will er, dass ich »Industriefleisch!« rufe, und es gibt nichts, was dagegen spricht. Obwohl Umwelt- und Tierschutzorganisationen immer größeren Zulauf erfahren, lässt sich weiterhin kaum feststellen, wie viele Menschen das Fleisch komplett vom Speiseplan gestrichen haben. Gemessen an der Anzahl Schweine, die in den letzten Jahren geschlachtet wurden, können es nicht allzu viele sein. 2018 wurden in Norwegen 1,7 Millionen Schweine geschlachtet. Zwar gingen davon 7000 Tonnen Schweinefleisch in den Export, doch der Konsum industriellen Schweinefleischs ist im letzten Jahrzehnt mehr oder weniger stabil geblieben. In Deutschland wurden im Jahr 2020 53,2 Millionen Schweine geschlachtet, 3.5 Prozent weniger als im Jahr davor. Das entspricht 5 101 700 Tonnen Schweinefleisch. Davon wurden 2 278 400 Tonnen exportiert.
Wenn uns das Tierwohl so wichtig wäre, wie es die Medien suggerieren, sollte man annehmen, dass die Zukunft der ökologischen Aufzucht frei laufender, glücklicher Schweine gehört. Doch die Zahlen sprechen dagegen: Der Marktanteil an Bio-Schweinefleisch ist in den letzten Jahren zurückgegangen und liegt im Vergleich zu allen anderen Fleischsorten am tiefsten. Rind, Lamm und Geflügel verzeichnen einen wesentlich höheren Anteil biologischer Ware. Die größte ökologische Fleischproduktion gibt es bei Lamm, und doch macht sie nur drei Prozent des gesamten Marktes für Lammfleisch aus. Mit anderen Worten: Offenbar überspringen die meisten ethisch bewussten Verbraucher die ökologische Tierhaltung und werden direkt zu Vegetariern oder Veganern. Die Frage wird zum Entweder-oder, zum Essen oder Nichtessen, Töten oder Nichttöten. Leiv hat also nicht unrecht, wenn er sagt: »Wie sieht die Alternative für Eirik aus, der gerade den Hof übernommen hat? Viel mehr Bio-Bauern verträgt der Markt nicht.«
Dann fügt er hinzu: »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie man den Hof ökologisch betreiben könnte. Ich habe auch kein Interesse daran. Für mich ist es kein appetitlicher Anblick, wenn die Schweine im Dreck wühlen und die Erde aufgraben.«
Kurz bevor wir den Schweinestall betreten, wirken diese Worte fast ironisch, denn Sekunden später muss ich mich beherrschen, um mich nicht zu übergeben. Zum Glück kommt der Brechreiz nicht vom Anblick, sondern von dem Geruch, der uns schon im Eingangsbereich entgegenschlägt. Der scharfe, alles durchdringende Gestank von Ammoniak und Aceton brennt auf den Schleimhäuten und ist wohl das Heftigste, was ich je gerochen habe. Meine Reaktion geht nicht unbemerkt an Leiv vorbei.
»Finden Sie, es stinkt?«, fragt er aufrichtig.
»Riechen Sie das nicht?«
»Da denke ich gar nicht mehr drüber nach.«
In seinen 66 Lebensjahren ist Leiv fast jeden Tag im Schweinestall gewesen. Seine Rezeptoren müssen immun sein, denke ich. Umgekehrt denkt er sicher: »So eine zimperliche Stadtnase, kommt aufs Land und spürt zum ersten Mal, was ein Geruch ist.«
Als der olfaktorische Schock sich gelegt hat, sehe ich endlich, wofür ich gekommen bin – die Schweine, genauer gesagt Säue. Wir stehen in einem Raum mit vier großen Koben. In jedem davon leben rund zehn ausgewachsene Sauen, wie sie hier genannt werden. Die nackten Fleischberge liegen zum Teil übereinander, es sieht fast aus wie in einer Walrosskolonie. Diese Assoziation verstärkt sich, wenn eines der ovalen, kurzbeinigen und fast 300 Kilogramm schweren biologischen Paradoxe sich aufrichtet. Es ist ein hilfloser Kampf gegen die Gesetze der Natur – manche kommen nur schwer auf die Hufe. Kaum zu glauben, dass diese Tiere in ferner Vergangenheit einmal agile Wildschweine waren.
Ich strecke den Arm in den Verschlag und kraule ein Schwein hinter dem Ohr. Es scheint es zu mögen, denn als ich die Hand zurückziehe, grunzt es und dreht den Kopf, als wolle es mehr.
Der Großstall ist in vier Bereiche unterteilt: einen für Zuchtsäue, einen für Jungschweine, die noch nicht geschlechtsreif sind, und zwei für Schlachtschweine. Im Nachbargebäude befindet sich ein weiterer Stall für Schlachtvieh. 52 Säue produzieren hier über 1000 Schlachtschweine pro Jahr – eine ansehnliche Zahl nach norwegischen Maßstäben, doch in vielen anderen Ländern gälte der Hof als Kleinbetrieb. In China gibt es mehrstöckige Komplexe, in denen bis zu 30 000 Säue gehalten werden, die rund 850 000 Schlachtschweine im Jahr produzieren.
»Sie haben es gut getroffen«, sagt Leiv, als wir in die nächste Abteilung kommen. Er bückt sich, greift in einen Verschlag und rupft die Nabelschnur von einem frisch geborenen Ferkel, das zappelnd hinter der Sau in den Sägespänen liegt.
Ich bin rechtzeitig zum Ferkeln gekommen. Im Abferkelstall gibt es 20 kleinere Verschläge, in denen je eine Sau untergebracht ist. Manche haben bereits geferkelt, andere stehen kurz davor. Im Verschlag Nr. 13 ist es gerade so weit. Die Sau liegt auf der Seite, sie stöhnt und schnaubt, während die neugeborenen Ferkel unbeholfen an sie herankriechen und mit dem Kopf gegen ihre Zitzen stoßen. Es mag putzig aussehen, aber in diesem Moment findet ein Machtkampf zwischen ihnen statt. Sie kämpfen um den Besitz der Zitzen und etablieren eine Hierarchie, die ihr kurzes Leben lang wahren wird.
Als Leiv und Eirik mir den Zyklus auf dem Hof erklären – Besamung, Geburt, Aufzucht und Schlachtung –, höre ich plötzlich ein leises, unterdrücktes Quieken. Ich schaue mich um, sehe aber nicht, woher es kommt. Vielleicht ein Ferkel bei der Geburt? Fragend sehe ich Leiv und Eirik an, die ebenfalls aufhorchen.
»Da ist wohl eins untendrunter gelandet«, sagt Leiv, geht in den Verschlag und klatscht der Sau aufs Hinterteil. Sie rührt sich nicht. Ein zweiter und dritter Klatsch, doch sie macht keine Anstalten, sich zu bewegen. Das Winseln hört nicht auf, nun kommt Eirik hinzu. Zusammen rütteln sie an dem massiven Körper, bis sie ein völlig erschöpftes Ferkel unter dem Fleischberg hervorziehen. Leiv untersucht das Kleine. Erstaunlicherweise ist es unverletzt, und er wirft es lässig zu seinen Geschwistern, die um die Zitzen der Muttersau streiten.
Dass Säue ihre eigenen Ferkel erdrücken, ist eine unglückliche Nebenwirkung neuerer Tierschutzgesetze. Früher wurden die Säue in einer sogenannten Abferkelbucht eingepfercht, in der ein »Ferkelschutzkorb« sie von ihren Jungen trennte. So waren sie tagelang stark in ihrer Bewegung eingeschränkt, konnten sich aber auch nicht über die Jungen wälzen. Für die Muttersäue ist das norwegische Verbot dieser Praxis offenbar ein Fortschritt, doch unter Ferkeln kostet sie manches Todesopfer – und Verluste für die Bauern.
Zwölf Ferkel sind bereits geboren, aber es können noch mehr werden. Ein Wurf besteht in der Regel aus 10 bis 15 Jungen, es kommt jedoch auch vor, dass es über 20 sind. In solchen Fällen besteht das Problem, dass ein Mutterschwein meist nur 14 Zitzen hat, und weil die Ferkel eine feste Hierarchie etablieren, bekommen nicht alle genug Nahrung. Es handelt sich also um einen Überlebenskampf, und die Ferkel kommen mit messerscharfen Eckzähnen zur Welt. Doch nicht allein das Recht des Stärkeren gilt, sondern auch »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst«. Studien haben gezeigt, dass die Todesrate unter den zuletzt geborenen Ferkeln doppelt so hoch ist wie unter denen, die zuerst an die Zitzen gelangen. Trotzdem gibt es Hoffnung für die Nachzügler: Weil Ferkel haarlos sind, leckt das Mutterschwein sie nicht nach der Geburt ab. Aus diesem Grund ist das Band zwischen Muttertier und Jungen nicht so fest wie bei vielen anderen Arten, was es leichter macht, ein paar Ferkel anderen Säuen mit kleineren Würfen unterzuschmuggeln.
Die Schutzmaske spannt über der Nase. Nachdem ich sie mehrmals vergeblich justiert habe, ziehe ich sie schließlich unters Kinn. Zuerst fühle ich mich befreit, aber schon bald fühlt sich mein Mund trocken an und es kratzt im Hals. Ich schlucke und räuspere mich. Der Dampf von Kot und Urin, gemischt mit Partikeln von Einstreu, Hautschuppen und Milben hat sich auf meine Schleimhäute gelegt.
Früher litten auch die Schweine unter diesem Problem. Viele bekamen Luftwegerkrankungen aufgrund der schlechten Stallluft. Heute sorgen strengere Regeln für eine bessere Durchlüftung, und es gibt kaum Anzeichen solcher Krankheiten. Ich habe weniger Glück. In der Hoffnung auf respiratorische Entlastung atme ich tief durch die Nase ein – eine schlechte Idee, denn es ist keineswegs besser als am Anfang.
Die Nachgeburt sinkt in das Streu. In Nummer 13 ist es bei einem Dutzend geblieben. Dass Schweine so viele Jungen bekommen, ist eine Ausnahme unter Paarhufern, die selten mehr als zwei Junge pro Wurf bekommen. In dieser Hinsicht haben Schweine mehr mit Hunden oder Katzen gemeinsam. Doch anders als bei Raubtieren kommen die Ferkel schnell auf die Beine, wie die meisten Pflanzenfresser. Dies ist ein typisches Verhalten für Beutetiere, die schnell einer möglichen Gefahr entkommen müssen.
Während Kühe und Schafe bei der Geburt meist etwas Hilfe seitens der Bauern benötigen, kommen die Säue in der Regel allein zurecht. Leiv muss nicht im Stall übernachten, wenn es so weit ist. Er muss jedoch stets prüfen, ob die Nachgeburt herausgekommen ist, denn wenn sie nicht im Stall liegt, befinden sich höchstwahrscheinlich noch Ferkel in der Gebärmutter der Sau. Dann muss er sie herausziehen.
Leiv hebt das letzte Ferkel auf und wischt es mit Stroh sauber. Dann steckt er den Finger in den Mund des Ferkels und öffnet ihn.
»Fühlen Sie mal!«
Ich stecke vorsichtig den Finger hinein. Die Eckzähne fühlen sich an wie Nadeln. Leiv holt einen kleinen Apparat, der wie ein Elektrorasierer aussieht. Er öffnet den Ferkelmund so weit wie möglich, und innerhalb weniger Sekunden ist der erste Zahn abgeschliffen. Er sagt, das Ferkel fühle keinen Schmerz, und er könne ebenso gut einen Nagelknipser benutzen.
»Wollen Sie es halten?«
Ich lege das Ferkel in meinem Arm zurecht, den Kopf am Ellbogen, den Bauch auf dem Unterarm – ungefähr wie einen Säugling. Es gibt keinen Ton von sich, hat aber offensichtlich Angst, denn es zittert und sein Herz klopft wild. Ich streichle ihm über den Rücken und fühle die Wirbel des Rückgrats unter der nackten Haut. Erst vor einer Woche habe ich meinen eigenen Sohn in der Klinik so gehalten. Vielleicht bin ich deshalb mit einem Mal so besorgt um das frisch geborene, durchaus menschenähnliche Geschöpf. Ich versuche, das Gefühl abzuschütteln, indem ich mir sage »Ich werde dich essen«, aber ich bringe es nicht heraus – nicht einmal in Gedanken.
Wie Alice im Wunderland fällt es mir plötzlich schwer, ein Ferkel von einem Baby zu unterscheiden, bloß dass die Verwandlung bei Alice andersherum geschieht. Die Herzogin hat Alice ihr Baby zugeworfen und ihr befohlen, auf es aufpassen. Sie hält es in den Armen und beschließt, es mit nach Hause zu nehmen. Draußen hört sie das Kind plötzlich grunzen. Sie schaut ihm ins Gesicht und bemerkt zu ihrer großen Überraschung, dass es immer mehr einem Ferkel ähnelt. »Diesmal konnte sie sich nicht mehr irren: es war nicht mehr oder weniger als ein Ferkel, und sie sah, das es höchst lächerlich für sie wäre, es noch weiter zu tragen. Sie setzte also das kleine Ding hin und war ganz froh, als sie es ruhig in den Wald traben sah.« Mir fällt es schwerer, das kleine Geschöpf loszulassen.
»Sieht aus, als wollten Sie es mit heimnehmen«, sagt Leiv und grinst. Ich muss an eine Reportage über Papua-Neuguinea denken, die ich einmal gelesen habe. Nirgendwo auf der Welt werden Schweine mehr geachtet als dort. Die Menschen kümmern sich um deren Nachwuchs, und ist ein Ferkel zu schwach zum Überleben, wird es nach Möglichkeit einer stillenden Frau an die Brust gelegt und wie ein Menschenkind aufgezogen.
»Meine Frau stillt noch. Vielleicht wäre es ja möglich.« Wir lachen, und alle Anspannung ist wie weggeblasen.
»Fragt sich nur, was Sie in einem halben Jahr tun würden«, antwortet Leiv. Sein Einwand ist berechtigt. Bei der Geburt wiegt ein Ferkel nur ein Drittel so viel wie ein menschlicher Säugling. Nach 16 Wochen bringt ein Menschenkind etwa sieben Kilogramm auf die Waage, während das Schwein schon 70 Kilogramm überschritten hat. Mit dieser Wachstumsrate hatte das kanadische Paar Steve Jenkins und Derek Walters kaum gerechnet, als sie ein sechs Monate altes und angeblich ausgewachsenes »Zwergschwein« kauften. Der Handel stellte sich rasch als Betrug heraus. Nach einem Jahr wog das Schwein fast 200 Kilo. Aber das Paar mochte Esther so gern, dass sie sie nicht weggeben wollten. Bald teilten sie ihre Stadtwohnung mit einer über 300 Kilo schweren Sau.
Ich frage Leiv, ob sie je ein Ferkel mit ins Haus genommen haben, um mit ihm zu spielen oder zu schmusen.
»Schweine sind Industrietiere, keine Schmusetiere«, lautet seine kurze Antwort. Die Stimmung steht wieder auf der Kippe. Industrietiere? Was unterscheidet eigentlich ein Industrie- oder Produktionstier von einem Haus- oder Schmusetier? Letztendlich sind dies nur sprachliche und gesellschaftliche Konstrukte. Doch Leivs Kommentar bringt es auf den Punkt: Wie wir unsere Tiere klassifizieren, hängt davon ab, wie wir sie benutzen, und die Klassifizierung bestimmt, wie wir sie behandeln. Ein einziges Wort erlaubt es uns, Schweine in fabrikähnliche Komplexe einzusperren, wir müssen nicht mehr mit ihnen interagieren und können sie schließlich problemlos essen.
Ich setze das Ferkel ab, und im selben Moment erblicke ich eines seiner Geschwister. Es ist nur halb so groß wie die anderen und zittert hilflos in einer Ecke des Verschlags. »Aus dem wird wohl nichts«, sagt Leiv, und ich höre einen leisen Anklang von Mitleid. Es ist weit von Papua-Neuguinea bis Jæren.
Auf dem Heimweg im Auto huste ich noch immer. So oft ich mich auch räuspere, ich atme Schwein. An der nächsten Tankstelle kaufe ich eine Flasche Wasser. Das Mädchen hinter der Theke weicht mir aus, und ich kann es ihr nicht verübeln, denn ich stinke. Noch in der Tür öffne ich die Flasche und stürze das Wasser hinunter. Es hilft ein bisschen, aber das Kribbeln im Hals werde ich nicht los, und der Geschmack von eingepferchten Schweinen klebt weiter am Gaumen. Ich habe ein übergroßes Bedürfnis nach Luft, will meinen Körper in einer frischen Meeresbrise auslüften.