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Profite vor Menschenrechte

Am kommenden Donnerstag, den 6. Juli, stellt Markus Bickel in der Vertretung des Freistaats Thüringen in Berlin mit Bodo Ramelow sein neues Buch „Die Profiteure des Terrors“ vor – alle, die Interesse haben, sind herzlich eingeladen und finden hier weitere Informationen. Bickel deckt in seinem Buch auf, wie die Handelsfixierung der deutschen Diplomatie zur Aufrüstung der arabischen Welt beiträgt. Auf Platz drei unter den Importeuren von Waffen made in Germany weltweit landete Saudi-Arabien zuletzt – dicht gefolgt von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar. Nach der Devise: Profite vor Menschenrechte, und diese Marschroute ist für die Länder der Region gleichzeitig ein Blankoscheck für den Ausbau ihrer Repressionsapparate.

 

Der Trend bleibt ungebrochen: Laut Rüstungsexportbericht der Bundesregierung hat Deutschland 2016 doppelt so viele Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen an Drittstaaten erteilt wie im Jahr zuvor. Auf 2,3 Milliarden Euro beliefen sich die Exportbescheide, 2015 waren es noch 1,17 Milliarden. Das gab das Bundeswirtschaftsministerium Ende Juni bekannt. Auch unter Brigitte Zypries rüstet Deutschland Kriegsparteien in Nahost auf – etwas, was ihr Vorgänger Sigmar Gabriel bei seinem Amtsantritt eigentlich verhindern wollte.

Doch weit gefehlt. Ein Ende der Aufrüstungsspirale auf der arabischen Halbinsel ist nicht in Sicht. Besonders beunruhigend: Zweitgrößter Abnehmer deutscher Rüstungsfabrikanten ist Katar, das kleine, aber mächtige Emirat am Persischen Golf. Exportgenehmigungen für 33 Kampfpanzer und 19 Panzerhaubitzen aus deutscher Produktion erteilte der geheim tagende Bundessicherheitsrat 2016 – zur Freude des jungen Emirs Tamim bin Hamad Al Thani. Der könnte diese künftig zur Abwehr gegen Deutschlands wichtigste arabische Verbündete einsetzen. Denn seitdem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) im Juni beschlossen, Al Thani mit einem Boykott zu belegen, steht der Zwergenstaat im Zentrum der internationalen Krisendiplomatie. Dabei können die Herrscher in Riad und Abu Dhabi ihre gegen Katar vorgebrachten Terrorvorwürfe nicht einmal belegen. Und selbst wenn: Dass nicht nur die Regierung in Doha, sondern auch die beiden wichtigsten Mächte des Golf-Kooperationsrats (GCC) dschihadistische Milizen in Syrien unterstützen, ist unbestritten.

Dass Deutschland darauf verzichtet, seine wichtigsten arabischen Partner zurückzupfeifen, ist das eine. Sie angesichts ihres gefährlichen Säbelrasselns am Golf weiter mit Kriegswaffen zu bedenken, ist schlicht verantwortungslos – und bedeutet eine gefährliche Parteinahme in der konfliktreichsten Region der Welt. Zumal Katar anders als Saudi-Arabien und die VAE darauf dringt, aus der gefährlichen Logik immer neuer Konfrontationen in Nahost herauszukommen: Al Thani setzt auf Dialog mit dem Iran – der einzige Weg, die Stellvertreterkriege, die von Syrien über den Irak bis in den Jemen toben, zu beenden.

Doch für die wirtschaftsfreundliche Außenpolitik der Bundesregierung ist das nicht das entscheidende Kriterium: Konfliktregionen wie der Nahe Osten, wo die Freiheitsrechte am geringsten sind und die Gewalt am größten, sind nun einmal die profitabelsten Märkte für deutsche Waffenschmieden.

Auch deshalb fühlt die Bundesregierung sich auch nicht an Resolutionen des Europaparlaments gebunden, das bereits 2016 ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien forderte. Wegen des Kriegs im Jemen, wo Katar übrigens gemeinsam mit seinen GCC-Partnern für eine humanitäre Katastrophe ungeahnten Ausmaßes verantwortlich ist:  Mehr als 10.000 Menschen hat der Krieg inzwischen das Leben gekostet, sieben Millionen sind vom Hungertod bedroht, drei Millionen auf der Flucht. De facto ist der Jemen ein gescheiterter Staat – und damit das Gegenteil dessen, was Saudi-Arabien zu Beginn des Kriegs 2015 anstrebte: Stabilität und die Rückkehr der international anerkannten Regierung nach Sanaa. Dennoch preist die Bundesregierung das Regime in Riad als Stabilitätsanker in einer von Krisen zerrütteten Region – ungeachtet der Einschätzung des Bundesnachrichtendiensts, der dem Kronprinzen Mohammed bin Salman eine aggressive Interventionspolitik vorwirft.

Die Luftwaffe des Königreichs ist nicht nur mit Kampfflugzeugen der Typen Tornado und Eurofighter Typhoon ausgerüstet, die einen hohen deutschen Entwicklungs- und Produktionsanteil haben. Sie bezieht auch Iris-T-Raketen von Diehl Defence, das in Abu Dhabi ein Außenbüro unterhält, um „die Akquisitionsbemühungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in den anderen Golfstaaten zu unterstützen“, wie es auf der Homepage der Diehl-Gruppe heißt. Die Lieferung von mehr als 40.000 Multifunktionszündern an Frankreich durch die Diehl-Defence-Tochter Junghans Microtec genehmigte die Bundesregierung im Dezember 2016. Sie sollen in Artilleriemunition eingebaut werden, die für Saudi-Arabien bestimmt ist.

Auch Ägypten mischt kräftig mit in der antiiranischen Militärallianz. 2016 rangierte die Militärdiktatur Abdel Fattah al-Sisis auf Rang vier der Empfänger deutscher Rüstungsgüter. Dass unter dem Sisi-Regime Zehntausende in den Gefängnissen sitzen und der Antiterrorkrieg auf dem Sinai nicht mehr Stabilität gebracht hat, sondern weniger, interessiert Berlin dabei wenig.

Das muss sich ändern – selbst wenn es schnelle Auswege aus dem Teufelskreis von Aufrüstung, Militarisierung und Repression nicht geben mag. Das gilt auf Seiten der Waffenexporteure ebenso wie in den autoritären Empfängerländern. Ein erster Schritt wäre ein Rüstungsexportgesetz, das in Kriege verwickelte Staaten wie Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate auf eine rote Liste setzt – und die Ausfuhr in Krisenregionen und Spannungsgebiete ohne Wenn und Aber verbietet. Dazu braucht es den Druck eines breiten Bündnisses aus friedensorientierten Politikern, kritischen Aktionären und Akteuren aus der Zivilgesellschaft. Nur so kann es gelingen, das Geschäft mit dem Tod gesellschaftlich zu ächten.

 

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Markus Bickel

Markus BickelMarkus Bickel berichtete in den letzten zwei Jahrzehnten als Redakteur, Reporter, Balkan- und Nahostkorrespondent für zahlreiche Medien, u.a. aus Sarajevo, Beirut, Bagdad und Damaskus. Er ist Absolvent der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München und Diplompolitologe. Zuletzt war er Nahostkorrespondent der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in Kairo. Seit 2017 leitet er in Berlin das „Amnesty Journal“, die Zeitschrift für Menschenrechte.

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