Ohne ist der neue Genuss – ein Abend im Supper Club „Tales of Taste“
Gutes Essen. Und dazu den passenden Wein. Oder auch das passende Bier. Für viele ist das eine Selbstverständlichkeit. Wer hingegen keinen Alkohol trinkt, dem bleibt oft nur die Auswahl zwischen ein paar Säften, Wasser und den üblichen Softdrinks. Dass die alkoholfreie Speisebegleitung aber weitaus mehr zu bieten hat, zeigt Nicole Klauß in ihrem Buch Die neue Trinkkultur. Speisen perfekt begleiten ohne Alkohol. Mit vielen Pairings und Rezepten für leckere Speisen und Getränke zum Selbermachen!
Ambitionierte Hobbyköche und -köchinnen, Feinschmeckerinnen und Liebhaber ausgefallener Menüs treffen sich in Berlin gerne in sogenannten Supper Clubs zum gemeinsamen Essen. Die Gäste sind in der Regel experimentierfreudig und daher stehen Champignonsüppchen, Bœuf Bourguignon und Mousse au chocolat auch eher selten auf dem Speiseplan – sondern sehr häufig Gerichte, die man zum Teil auch in Restaurants so nicht findet. Wer zu einem Supper Club geht, wird in der Regel nicht von ausgebildeten Köchen oder Köchinnen bekocht, sondern von Privatleuten, die gerne kochen. Oft wird die Location erst einen Tag vor dem Essen bekanntgegeben. Häufig trifft man sich in der Wohnung des Gastgebers oder in anderen privaten Räumen. Die Gäste sind in der Regel sehr an Essen und Trinken interessiert und selbst häufig Hobbyköche mit Anspruch – benutzen also eher eine Vanilleschote aus Tahiti als Vanillin – wenn Sie verstehen, was ich meine… Mit Freunden und neuen Bekannten am Tisch ist die Stimmung wie bei einem netten privaten Abendessen in großer Runde. Man kommt schnell ins Gespräch und tauscht sich aus (auch Visitenkarten), zum Beispiel über Restaurants und gute Märkte oder Produkte. Und man spricht natürlich über das Essen.
Am vergangenen Wochenende durfte ich anlässlich des Supper Clubs „Tales of Taste“ von Inés Lauber die alkoholfreie Getränkebegleitung gestalten. Das Menü bei den „Tales of Taste“ folgt einem roten Faden: die ersten beiden Gänge befassen sich kulinarisch mit dem Mittelalter, die nächsten beiden Gänge mit der Küche während des Ersten und des Zweiten Weltkrieges und die letzten beiden Gänge mit der zeitgenössischen Küche.
Als Aperitif werden ja häufig Getränke mit Alkohol und Fillern mit Kohlensäure gereicht – für Menschen wie mich, die Alkohol schlecht oder überhaupt nicht vertragen, ist das ein echter Killer: Der Abend endet, bevor er so richtig angefangen hat…
Da ich für den Aperitif zuständig war, gab es eben mal was anderes. Saisonal, fruchtig, leicht – und eine gute Einstimmung in den Abend: ein Erdbeer-Shrub. (Das Rezept finden Sie unter dem Beitrag) Shrubs sind Getränke auf Apfelessigbasis und man kann hier seiner Phantasie freien Lauf lassen. Je nachdem, ob man Früchte mit hohem Zuckeranteil wie Erdbeeren, Wassermelonen oder Aprikosen nutzt, oder Gemüse wie Sellerie, Tomaten oder Rote Bete, nimmt man für den Shrub mehr oder weniger Zucker. Die grobe Faustregel ist hier, immer etwas mehr Früchte als Zucker und Apfelessig zu nehmen. Wer gerne einen Aperitif mit Alkohol anbieten möchte, der mischt zum Shrub ein bisschen Gin oder Vodka.
Erster Teil: „Willkommen im Mittelalter“
Zu Beginn des 4,5-stündigen Menüs wurde eine große Schüssel mit Wasser und Rosenblättern zum Händewaschen herumgereicht… Schließlich war fließendes Wasser im Mittelalter auch eher selten vorhanden. Besonders häufig standen im Mittelalter Wildkräuter und Gemüse auf der Speisekarte. Auf großen Holztellern lag denn auch frisch gebackenes Emmer-Dinkel-Sauerteig-Brot mit Brennessel-Hanf Paste und Rosenblüten-Melissenbutter. Einer schneidet das Brot, die Butter und die Pasten werden herum gereicht. So kommt man gleich ins Gespräch.
Dazu gab es einen Apfelsaft mit Zitronenmelisse. Ich wählte einen Saft der Sorte „Wintercalville“ von Thomas Kohl aus Südtirol. Das Aroma der Wintercalville ist besonders fein und hat ein ausgewogenes Süße-Säure-Verhältnis, das nicht zu süß ist und mit einem unglaublichen Aroma aufwartet. Der Wintercalville ist eine alte Sorte, mit einem Stammbaum, der bis ins Mittelalter reicht und auch am Hof von Louis XIII. in Orléans im 17. Jahrhundert serviert wurde. Damit passte der Saft also auch historisch perfekt zum Thema.
Für diesen Abend hatte ich Zitronenmelisse mit ein bisschen Apfelsaft püriert und in einen Teebeutel gefüllt (mit dem Teebeutel spart man sich später das Filtern des Saftes). Nach ein paar Stunden mischt sich das frische Aroma der Zitronenmelisse und dem feinen Aroma der Wintercalville und ergeben ein köstliches Getränk.
Als zweiter Gang folgte ein Gerstenpfannkuchen mit Giersch, Schmand, Speck und Waldhonig und karamellisierten Zwiebeln. Dazu gab es ein „Porter“ mit Karamell- und Röstaromen von der Berliner Craft Beer-Brauerei BRLO. Ein gutes Pairing!
Die alkoholfreie Getränkebegleitung bestand aus einem gerösteten Grüntee, einem Houjicha, – in diesem Fall war es der „Daily Toast“ von der Berliner Teemanufaktur „Paper and Tea“. Dieser Tee wird leicht geröstet und ist ein hervorragender Begleiter zu allen Speisen mit Röstaromen.
Zweiter Teil: „Zwei Weltkriege bringen Hunger und Not“
Die Kriegsküche ist nicht wählerisch. Man aß, was eben da war und Wildkräuter waren besonders populär, denn sie waren selbst in den Städten vorhanden und wichtige Lieferanten von Vitaminen. Sie wurden zu echten „Überlebensmitteln“.
Zur Frühkartoffel-Wunderlauch-Suppe gab es ein „Helles“ aus der Braumanufaktur in Potsdam. Die Biere der Braumanufaktur sind unfiltriert und ab Abfüllung etwa 14 Tage haltbar, da die Hefen nicht durch Erhitzen abgetötet wurden. Das Bier enthält daher noch sämtliche Vitamine und Spurenelemente.
Die Getränkebegleitung bestand aus einem aromatisierten Wasser mit Sauerampfer (primär für die Optik, aber das Auge trinkt mit), Dill und einem Spritzer Bärlauchdestillat aus der „Schwarzwälder Kräuter Manufaktur“. Dort werden aus Kräutern alkoholfreie Destillate „gebraut“, die hocharomatisch sind und so konzentriert, dass ein paar Tropfen in einer Karaffe schon ausreichen, um das Wasser zu aromatisieren. Die Destillate eignen sich auch für Salate und zum finalen Verfeinern von Speisen. Es folgte ein Wildkräutersalat mir junger Roter Bete, roten Beeren und geröstetem Buchweizen.
Dazu gab es einen 2014er Rosé aus Slowenien in demeter Qualität von „Guerlia“ aus 60 Prozent Merlot und 40 Prozent Cabernet Sauvignon mit Aromen von schwarzer Johannisbeere, Erdbeere und Kirschen.
Ich reichte als Begleitung einen Wasserkefir mit Bronzefenchel und einem Spritzer Fencheldestillat (auch von der Schwarzwälder Kräutermanufaktur). Wasserkefir besteht aus kleinen transparenten Kristallen, die aus Zuckerwasser mit ein paar Trockenfrüchten minimal alkoholhaltige (etwa 1,5 Prozent) Getränke produzieren. Die Kristalle haben eine Gummibärchenstruktur und bestehen aus Hefen und Bakterien.
In einer erste Gärphase (ein Tag) verarbeiten sie den Zucker im Wasser und in der zweiten Phase (ein bis drei Tage) fügt man Aromen hinzu (Obstsäfte, Kräuter, Früchte, Gewürze) und lässt alles in einer geschlossenen Flasche gären. Je länger man wartet, desto mehr Zucker wird vergoren und umso „trockener“ und kohlesäurehaltiger wird das Getränk. Mit ein wenig Erfahrung kann man sehr schön steuern, wie viel Restzuckeranteil in den Getränken verbleiben soll.
Wasserkefir ist auch hervorragend geeignet, um Getränke mit hohem Zuckergehalt ein wenig zu „entsüßen“. Apfelsaft oder Kirschsaft einen Tag mit Wasserkefirkristallen gären lassen – das „neue“ Getränk hat ein bisschen Kohlensäure – und weniger Zucker. Noch dazu gehört Wasserkefir zu den probiotischen Lebensmittel und ist überaus gesund.
Als komplett alkoholfreie Alternative gab es zusätzlich einen stillen Fruchtsecco „Prisecco“ mit Kirsche, Paprika und Roter Bete aus der Manufaktur von Jörg Geiger.
Finale: „Wissen ist der neue Luxus“
Abschließend folgte die Küche des 21. Jahrhunderts: (Fast) alles ist möglich, alles wird genutzt, getreu dem Motto „Leaf to Root“ – vom Blatt bis zur Wurzel.
Zur Brandenburger Forelle mit Sauerampfer und Melde (hocharomatisches Wildkraut) gefüllt, dazu Saubohnen, Kohlrabi, Rote Beete Blätter und Bronzefenchel. Der vegetarische Gang ersetzte die Forelle durch marinierte Pilze mit Sauerampfer und Melde.
Dazu gab es einen 2013er Gelben Muskateller vom Weingut Nigl aus dem österreichischen Perchtoldsdorf. In der Nase: Litschi, Stachelbeere und Holunderblüten – am Gaumen eine gute und spitze Säure und dabei leicht und frisch. Perfekt also zur leichten Sommerküche.
Die Getränkebegleitung war das neue alkoholfreie Pale Ale „Naked“ von BRLO. Jede Wette, dass niemand auf ein alkoholfreies Bier tippen würde, denn das bernsteinfarbene „Naked“ ist kräftig im Geschmack und hocharomatisch – ein ebenbürtiger Partner zur gebratenen Forelle.
Zum Dessert mit Lindenblüten-Joghurt-Eis, weißer Schokolade mit Mandelkrokant, Lindenblüten und Amaranth gab es ausgebackene Holunderblüte und Holunderblüten-Honig.
Der Koji-Tee, ein Teemischung mit dem leicht süßlich-vanilligen Reis der die Sporen des Pilzes „Aspergillus Oryzae“ trägt, sollte das Dessert sanft abrunden. Der Tee war dem Dessert allerdings nicht gewachsen und letztlich zu zart und verhalten im Aroma. Bei allen Getränkebegleitungen gilt zwar, dass das Getränk hinter der Speise zurückstehen sollte und Sie auf keinen Fall dominieren sollte. Aber der Koji-Cha war dann doch zu zurückhaltend.
In solchen Fällen ist es gut, eine Alternative zur Hand zu haben: Ein Wasserkefir, der mit Lindenblütensirup angesetzt wurde und dann zur Flaschengärung mit einem Teebeutel mit frisch gemahlenem kräftigen Espresso (80 Prozent Arabica, 20 Prozent Robusta) aromatisiert wurde. Durch das „Cold Brew“, bei dem der Espresso ungefähr drei Stunden im kalten Wasserkefir badete, werden fruchtige Aromen an das Getränk abgegeben ohne dass es dabei bitter wird.
Bei der Dessertbegleitung gibt es noch eine weitere Regel: das Getränk sollte möglichst nicht weniger süß sein (bei Tee und Kaffee gelten Ausnahmen) als die Speise. Der Wasserkefir hatte noch ordentliche Restsüße und konnte es gut mit der weißen Schokolade und dem Honig aufnehmen.
Wasserkefir mit Espresso ist übrigens auch eine gute Alternative für Gäste, die kein Dessert möchten, aber etwas „kleines Süßes“ – und der Espresso danach ist auch schon dabei, ein echtes Win-win also.
In diesem Sinne,
Cheers!
Rezept Erdbeer-Shrub
- 350 Gramm Erdbeeren
- 225 Gramm Rohrzucker
- 240 Milliliter Bioapfelessig
Erdbeeren kleinschneiden und mit dem Rohrzucker in einem verschließbaren Glas drei Stunden im Kühlschrank ziehen lassen. Alles durch ein feines Sieb und mit Bioapfelessig vermischen, verschließen und mindestens eine Nacht im Kühlschrank ziehen lassen.
Am nächsten Tag mit Mineralwasser auffüllen, Eis dazugeben und mit einem Stängel Zitronenmelisse dekorieren. Wer will, gibt die Zitronenmelisse schon vorher dazu und lässt sie ein paar Stunden mitziehen.
Fotos: Nora Novak, Nicole Klauß