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Innere Unsicherheit – wenn Realität und Fiktion verschwimmen

Markus Kompa hat mit „Innere Unsicherheit“ einen neuen, rasanten Polit-Thriller geschrieben – und es ist erschreckend, wie der Plot gerade von der Realität eingeholt wird. Der Thriller liest sich wie ein Enthüllungsbericht, der exakt das bestätigt, was kürzlich der Brief eines KSK-Hauptmanns an Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer anprangerte: eine „toxische Verbandskultur“, die von einem „Kadavergehorsam“ geprägt ist, der mit dem der „Waffen-SS“ vergleichbar ist. Wenn nun also unsere Verteidigungsministerin mit „eisernem Besen“ zum großen Reinemachen beim KSK bläst, dann hat sie hoffentlich den neuen Kompa gelesen, der ihr auch erstaunliche Einblicke in das konkurrierende Zusammenspiel von Verfassungsschutz, BND und MAD liefern kann.

Ellen Strachwitz ist alleinerziehende Kölnerin, tanzt gerne Tango Argentino und beweist in vieler Hinsicht Courage. Mit der Partnerwahl allerdings hat die Mittvierzigerin so ihre Schwierigkeiten, und dazu auch keine Zeit, denn die Karrierejuristin leitet den politischen Inlandsgeheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz. Nachdem Ellen in „Das Netzwerk“ eine Bundestagswahl vor Manipulation durch Leaks und Desinformation schützte, findet sie sich Jahre später in einem Deutschland wieder, in dem nun Rechtspopulisten in der Regierung sitzen. Beim Spagat zwischen Rechtsstaat und Geheimdienstmethoden geht Ellen nicht zuletzt wegen Interessenkonflikten Kompromisse ein, die ihr vor einer sich abzeichnenden Staatskrise um die Ohren zu fliegen drohen. Während einer Terrorlage kann sie im Staatsapparat niemandem mehr trauen und setzt daher auf ungewöhnliche Verbündete. Eine Spur führt in Kreise des nach Rechtsaußen gedrifteten Kommando Spezialkräfte, das gegen den Militärgeheimdienst immun zu sein scheint.

Die Politthriller sollten eigentlich die literarisch eher vernachlässigte deutsche Geheimdienstszene besser ausleuchten, aber was aktuell passiert, ist fast etwas unheimlich. Viele erfundene Details im „Netzwerk“ wurden von der Realität eingeholt. Inzwischen ist sogar bekannt, dass ein Verfassungsschutzpräsident im Amt diskrete Kontakte zu einer rechtspopulistischen Partei pflegte. Das Spannungsverhältnis zwischen einer solchen Partei und dem Verfassungsschutz spielt auch in „Innere Unsicherheit“ eine zentrale Rolle.

Die aktuellen Schlagzeilen aus der deutschen Geheimdienstwelt scheinen direkt der „Inneren Unsicherheit“ entsprungen zu sein: Es wurde bekannt, dass der vormalige Verfassungsschutzpräsident nicht nur nach Rechtsaußen tendierte, sondern im Amt wohl auch eine rechtspopulistische Politikerin beriet. Der Militärische Abschirmdienst räumt ein, dass er beim Kommando Spezialkräfte bei der Suche nach rechtsextremen Netzwerken auf eine Mauer des Schweigens stößt, angesichts von unterschlagenen Kampfmitteln  nicht einmal eine Schattenarmee ausschließen kann und in den eigenen Reihen einen Verräter hatte. Inzwischen zeichnen sich auch in Polizeikreisen rechte Kontaktnetze ab, politischer Missbrauch von Polizeidatenbanken scheint eher die Regel als die Ausnahme zu sein. Manche Rechte planen sogar ernsthaft einen Umsturz. Ähnlich, wie im Buch vorausgesagt, wurde ein rechter Polizeispitzel beim Anzünden von Autos erwischt, was er vermeintlichen Linksextremisten in die Schuhe schieben wollte. Der Missbrauch vom Überwachungssystem sollte niemanden überraschen, und auch die Teilnahme von nicht zuständigen Politikern an Geheimsitzungen wurde von der Realität überholt. Beim Verfassungsschutz in Sachsen, wo der Showdown des Romans spielt, gibt es aktuell ebenfalls Verwerfungen. Das alles wäre Stoff für einen schlechten Roman – oder einen guten Thriller.

Markus Kompa

Markus KompaMarkus Kompa ist Geheimdienstspezialist und Medienanwalt. Zu seinen Mandanten gehören Enthüllungsjournalisten, Hacker und Politiker – sowie ehemalige Geheimagenten. In seinem Romandebüt „Das Netzwerk“ nahm er die subversive Beeinflussung einer Wahl in Social Media durch Leaks vorweg, die in den USA Realität wurde.

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