Der Festredner
Zurzeit widersetzt sich wenigstens noch die Satire der inhaltlichen und sprachlichen Verflachung. Sie lebt weiterhin vom Haarespalten und Wortklauben, sie formuliert scharf geschliffene Pausen, ist immer um sprachliche Genauigkeit bemüht, sie spielt mit Begriffen und ihrer Bedeutung, und sie befindet sich im Dauereinsatz gegen das die Weltherrschaft anstrebende große Blabla. Henning Venske ist einer der wichtigsten satirischen Autoren und politischen Kabarettisten in Deutschland. Er hat gerade seinen 80. Geburtstag gefeiert und mit „Summa summarum“ uns und sich selbst ein wunderbares Buch geschenkt. An dieser Stelle lassen wir ihn mit einem Auszug daraus sich selbst gratulieren:
Liebwerte Damen, hochmögende Herren – wenn wir honoris causa einen lorbeerumkränzten Mann feiern: den Schriftsteller, Rhetor, den Magier im Flanell der Eloquentia Senilis, den Homo politicus multaBlaBlaque, den Stettiner, der als Demosthenes von Hamburg in allen Marmorsälen der Republik flusenbemügelt – Quatsch, musenbeflügelt – die Ars Declamandi zelebriert wie einen stupenden Tanz ohne Seil, oder, in weniger glücklichen Momenten, wie ein stupides Seil ohne Tanz, wenn wir dieses geistigen Cheerleaders Laudatio magna cum laude anstimmen, dann kommen wir nicht umhin festzustellen, dass dieser kryptische, aber auch luzide Mann, und da denken wir insbesondere an Publius Ovidius Naso, Vergil und die horazischen Oden, nicht nur ein staunenswertes Phänomenon der elementaren Pose, sondern auch per se ein posierendes Element verkörpert, eine Epiphanie in concreto auf dem Felde der Comédie Humaine, wie sie nur ein profundes Studium Generale sine ira zum Leuchten bringt, was ihn aber uns Inferioribus, horribile dictu, so entrückt, dass sich die Laudierung des gerade noch Lebenden unversehens verwandelt in einen Epitaph auf einen Unsterblichen, einen adorablen Archetypus, auf dessen Apotheose sich die Philister von links und rechts, von oben und unten, jederzeit verständigen können, zumal, wenn sie endlich begreifen, dass hier ein vom Geist der Suade geprägter, skalpellinistisch operierender Bramarbas, gleichwertig einem Michael Kohlhas (und jedem Fernsehmoderator das Wasser zu reichen keinesfalls überfordert), konsonantenmalmend zu Felde zieht, ein börnescher Meister von lessingscher Sozialkompetenz oder umgekehrt, dem es gelingt, auch sub Spezie Aeternitatis seine romantischen Leidenschaften mit einem Höchstmaß an Parteilichkeit zu vereinen, was ihm einen Ehrenplatz im Pantheon der rednerischen Protagonisten sichert, obgleich seine Vita als anachronistisches Mirakel inmitten des gesellschaftlichen Debakels der humanistischen Bildung in Erscheinung tritt, weil die Paideia als kompensatorische Obligo im Spannungsfeld zwischen Großkapital und Pauperismus in der Concordia omnium als Vision längst obsolet geworden ist, so dass er, als Homo absolutus, gleichwohl auch ein ambulantes Synsemantikon darstellt, das ich in epigrammatischer Knappheit als den derzeit irrelevantesten Homme d’Esprit der deutschen Nation zu etikettieren mich herausgefordert sehe, und dessen Namen zu evozieren ich mich mit Vergnügen auf diese Rostra begeben habe … Scheiße, jetzt habe ich den Namen vergessen.